Provokationen, Stellvertreter und Glaubhafte Abstreitbarkeit

Russlands ferngesteuerter Krieg in der Ukraine

Quelle: Pierre Vaux, James Miller, Catherine A. Fitzpatrick für interpretermag.com.
16.6.2014. Übersetzung aus dem Englischen

Von Russland unterstützte Separatisten in der Ukraine. Photo von Reuters.

Russlands Militär- und Geheimdienstsektor ist seit Monaten aktiv am Konflikt in der Ostukraine beteiligt, diese Position wird von den Vereinigten Staaten, der Europäischen Union und den ukrainischen Behörden selbst vertreten. Doch Beweise, welche die russische Regierung endgültig der direkten Einmischung auf der anderen Seite der Grenze überführen, sind schwerer zu sammeln, da Wladimir Putin sich entschieden hat – zumindest vorerst – einen “besonderen Krieg” auf dem Gebiet seines Nachbarn zu führen, einen Krieg, der alle Kennzeichen einer Maskirovka trägt. Maskirovka ist ein in der sowjetischen Militärdoktrin etabliertes Prinzip der Tarnung, der Leugnung und der Täuschung. Die wichtigsten Merkmale der Maskirovka sind die Aufrechterhaltung der “Glaubhaften Abstreitbarkeit“, Verschleierung von Kräften und Desinformation sowie Täusch- oder Dummy-Strukturen, um die Fähigkeit des Gegners zu reduzieren, Vorhersagen zu treffen oder auf Aktionen zu reagieren.

Das Schlüsselelement in der aktuellen Krise in der Ukraine war die Fähigkeit des Kremls, trotz einer offenen Aggression, Einmischung und Invasion alles glaubhaft abstreiten zu können. Ohne diese Aufmachung wären die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen, von denen Russlands Einfluss abhängig ist, gefährdet. Dieser Einfluss ist sehr wichtig, insbesondere mit Blick auf die europäischen Staaten, die sehr lange zögern würden, ihre Geschäftsinteressen und Gasversorgung zu opfern.

Die Beziehungen wären einem viel stärkeren Risiko ausgesetzt gewesen, wenn Russland mit markierten Militäreinheiten in die Ukraine eingedrungen wäre. Indem die Krim von nicht markierten Truppen besetzt wurde, und die Präsenz russischer Streitkräfte bis zum Ende der Vorführung abgestritten wurde, schaffte sich Wladimir Putin den nötigen Raum, um Gesicht zu wahren. Kein Staatschef war bereit, Verluste in Kauf zu nehmen, wenn es nicht unbedingt sein musste. Die Invasion der Krim wurde von europäischen und amerikanischen Diplomaten noch als mögliches Zukunftsszenario behandelt, als schon lange klar war dass Russland eine militärische Invasion von souveränem europäischen Territorium begonnen hatte – und das war es schon im Laufe der ersten 24 Stunden nach Ankunft der “kleinen grünen Männchen” an den Flughäfen und VerwaltungsgebäudenContinue reading

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Moscow students demand to fire Dugin from the Moscow State University for sparking hatred towards Ukrainians

The website for electronic petitions change.org published the demand of the students of leading Moscow higher education institutions to the leadership of the Lomonosov Moscow State University to fire the odious “philosophers” Alexandr Dugin from the leading university in the country. The reason were his militaristic statements regarding Ukrainians.

The authors of the petition think that “‘professor’ Dugin’s public activities are discordant with the post he holds in the system of public education, damages the image of Russian science and the status of the Lomonosov Moscow State University. As such, during his latest statements, professor Dugin expressed direct calls for murder, claiming that this is his position as a professor (‘As a professor, this is how I think’).”  Continue reading

Anton Shekhovtsov: Italienische Faschisten von Millennium verbünden sich mit pro-russischen Rechtsextremisten

Quelle: Anton Shekhovtsov’s Blog, 11.6.2014
Übersetzung aus dem Englischen

Nachdem bereits polnische Faschisten die Ostukraine besuchten, um pro-russische Rechtsextreme der “Donezker Volksrepublik” zu unterstützen, haben nun italienische Faschisten von der Millennium-Organisation den anti-ukrainischen Terroristen Gefolgschaft gelobt.

Laut Pawel Gubarew, einem der Anführer der pro-russischen Extremisten und ehemaligem Mitglied der Neonazi-Gruppe Russische Nationale Einheit, sind “Antifaschisten” der italienischen Organisation Millennium nach Donetsk gekommen und werden die “Streitkräfte” der “Donezker Volksrepublik” unter der Leitung von Igor Strelkow verstärken.

Orazio Maria Gnerre (ganz links) und Pawel Gubarew (ganz rechts), Donezk, Juni 2014
Pawel Gubarew (Mitte) und Orazio Maria Gnerre (ganz rechts), Donezk, Juni 2014
Orazio Gnerre Maria (Mitte) und Denis Puschilin, der selbst erklärte Vorsitzende des Obersten Sowjets der “Donezker Volksrepublik”, Donezk, Juni 2014

Was die Ideologie angeht, ist die Millennium-Organisation das Gegenteil von Antifaschismus. Ihre Ideologie ist in der Nähe zum neo-faschistischen Eurasianismus des russischen Faschisten Aleksandr Dugin angesiedelt, mit dem Millennium schon seit ein paar Jahren aktiv kooperiert.

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Anton Shekhovtsov: Die Zweckehe des Kremls mit den europäischen Rechtsextremen

Putin-FNQuelle: opendemocracy.net, 28.4.2014
Übersetzung aus dem Englischen

Putins Kraftmeierei in der Ostukraine und seine “moralische, familienorientierte” Politik haben ihm die glühende Unterstützung der europäischen Rechtsextremen gewonnen. Aber sie sollten sich keine Illusionen machen… 


Für seinen massiven Informationskrieg gegen die Euromaidan-Proteste und die daraus folgende Revolution, die zum Sturz des autoritären Regimes des pro-russischen Viktor Janukowitschs führte, mobilisierte der Kreml vermutlich alle seine Lobby-Netzwerke im Westen. Dabei zeigte sich, was Experten schon lange vermutet hatten, nämlich, dass die heutigen europäischen rechtsextremen Parteien und Organisationen die eifrigsten Anhänger der politischen Agenda Putins sind.

Die heutigen rechtsextremen Parteien und Organisationen sind die eifrigsten Anhänger der politischen Agenda Putins.

Mit Moskaus Geld geht alles.

Krim, der 16. März. Hier sind sie: die internationalen “Beobachter” des illegalen und illegitimen Referendums, das in der Autonomen Republik Krim abgehalten wurde, die von russischen kleinen grünen Männchen besetzt wurde. Die überwiegende Mehrheit der “Beobachter” sind Vertreter eines breiten Spektrums europäischer rechtsextremer Parteien und Organisationen:

Österreichs Freiheitliche Partei (FPÖ) und Bündnis Zukunft, die belgische Vlaams Belang und Parti Communautaire National Européen, die bulgarische Ataka, die französische Front National, die ungarische Jobbik, die italienische Lega Nord und Fiamma Tricolore, die polnische Samoobrona, die serbische “Dveri“-Bewegung, die spanische Plataforma per CatalunyaSie wurden vom Eurasischen Observatorium für Demokratie und Wahlen (EODE) eingeladen, um das “Referendum” zu legitimieren. Ein kluger Name für eine “internationale Nichtregierungsorganisation”, die vom belgischen Neonazi Luc Michel gegründet wurde, einem treuen Anhänger des verurteilten belgischen Kollaborateurs und Neonazis Jean-François Thiriart. Von Michel als “politisch unabhängige Nichtregierungsorganisation” gegründet, verbirgt die EODE ihre antiwestliche Einstellung und Loyalität zu Putin nicht und ist immer bereit, um illegitimen politischen Entwicklungen einen Stempel der “Legitimität” zu verleihen, egal ob auf der Krim, in Transnistrien, Südossetien oder Abchasien. Mit Moskaus Geld geht alles.

Trotzdem ist die EODE nur ein Tropfen im Ozean der umfassenden Zusammenarbeit zwischen dem Kreml und den europäischen Rechtsextremen. Marine Le Pen von der Front National besucht jetzt Moskau in scheinbar regelmäßigen Abständen: im August 2013 und April 2014 hatte sie Treffen mit Vize-Ministerpräsident Dmitri Rogosin und dem Sprecher des russischen Parlaments Sergey Naryschkin. Le Pens Berater für geopolitische Angelegenheiten, Aymeric Chauprade nahm als “Experte” an einer Sitzung des Ausschusses für Familie, Frauen und Kinder im russischen Parlament teil, um die Gesetze zum Verbot der Adoption russischer Waisenkinder durch LGBT-Paare zu unterstützen. Mehrere ehemalige Mitglieder der Front National betreiben ProRussia.TV, eine Erweiterung der internationalen PR-Instrumente des Kremls, wie Russia Today und der Stimme Russlands. Continue reading

Nowaja Gazeta: PR-Gespenster des Krieges

Quelle: Nowaja Gazeta (Russland), 26.5.2014

Ukraine. Hier wird ein Krieg geführt, wie ihn die Welt bisher noch nicht gesehen hat. An ihm arbeiten russische PR-Agenturen und “Polittechnologen”. Aber die Menschen sterben… real.

Pjetr Saruchanow (Nowaja Gazieta)

Dieser Krieg wird ohne Zweifel in die Lehrbücher eingehen: Er wird im Südosten der Ukraine von Moskauer PR-Agenturen, kommerziellen Unternehmen, ihren Mitarbeitern und deren Freunden geführt. Sogar der ausgefeilteste Verstand westlicher Gurus in Sachen Polit-Consulting hat so etwas noch nicht geschafft. Diesen Krieg neuen Typs hat die „Nowaja Gazeta“ anhand verschiedener Quellen untersucht – anhand von Dokumenten, welche die Redaktion erhielt, sowie von Augenzeugenberichten und Berichten unserer Korrespondenten. In dieser Ausgabe finden Sie:

  • Materialien aus den Ermittlungsakten eines Kriminalfalls, der mit Alexander Borodaj verbunden ist
  • Emails und “Lebenslauf” von Igor Girkin (alias Strelkov) und seinen Mitstreitern
  • Listen mit Ordensverleihungen durch das Präsidialamt nach dem Anschluss der Krim
  • Email-Kommunikation von Mitarbeitern mehrerer Firmen, die als ideologische Subunternehmer am „ukrainischen Projekt“ mitarbeiten, insbesondere der Firmen „Geheimer Berater“, „Agentur für Internet-Untersuchungen“ (AII) und „Art-Media“

Wir haben keine Zweifel, dass die Gelder für die PR-Begleitung unserer Ukraine-Politik noch an viel mehr Agenturen und Einzelpersonen flossen. Aber heute erzählen wir nur von denen, die direkt auf dem Territorium des „Bruderlandes“ aktiv waren.

Donetsker Region, 24.5.2014 (Foto: Ewgenij Feldman)

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Der orthodoxe Terrorismus

(Quelle: Pravda.com.ua, 27.5. – Zusammenfassung)

zharovPavlo Zharov, ein Aktivist aus Luhansk, meint, dass Putin die Taktik und Strategie der tschetschenischen Separatisten, von Al-Qaida, der Taliban und des militärischen Flügels der Hamas gründlich studiert hat und sich entschloss, diese zu nutzen, um die eigenen geopolitischen Interessen durchzusetzen.

Im Kern dieser Militärdoktrin liegt das Konzept der “Russischen Welt” – der Einheit aller Länder, die irgendwann Teil des russischen Reiches bzw. der Sowjetunion oder Russlands waren, unter russischer Schirmherrschaft standen oder die Gunst des russischen Reiches/der Sowjetunion/Russlands genossen haben.

Erfinder dieser geopolitischen Doktrin ist Alexandr Dugin, dessen radikale Ideen von vielen russischen Politikern offen unterstützt werden.

Der Krieg im Namen Gottes ist nichts Neues in der Menschheitsgeschichte. Hauptsache man erarbeitet ein genaues Feindbild, das real ist, und nicht nur ein Staatssystem. Es ist einfach zu sagen, dass in der Ukraine Faschisten an die Macht gekommen sind, die das jüdische Blut trinken und den orthodoxen Märtyrern die Köpfe abreisen. Und dass das alles antirussisch sei, und jeder, der nicht “mit uns ist, ist der “Rechte Sektor”.

Wir erleben jetzt die Bildung einer “Russischen Orthodoxen Armee”; hören Aussagen wie “bis zum Herbst wird Kyiw unser sein”; sehen, wie die Menschen in den Gebieten von Donezk und Luhansk entführt werden, um sie später gegen die eigenen Leute auszutauschen; wir sehen orthodoxe Priester zusammen mit Separatisten mit Kreuzen und Kalaschnikows in der Hand, die zum Krieg für “die orthodoxe Rus” aufrufen, und die Videos der “Partisanen”, die den Al-Qaida-Kämpfern auf so schreckliche Art ähneln.

Wird die neue ukrainische Regierung es schaffen, mit effektiven Maßnahmen gegen den Terrorismus vorzugehen, und der fortschrittlichen Kampftechnik Moskaus etwas entgegenzusetzen?

Denn davon hängt das Überleben der Ukraine als Staat und der Ukrainer als Volk ab.

Die Anatomie des russischen Informationskriegs – Der Einsatz auf der Krim, eine Fallstudie

Ośrodek Studiów Wschodnich im. Marka Karpia – Centre for Eastern Studies [Polen] 
22.5. 2014 – von Jolanta Darczewska

coverDer Informationskrieg hat eine lange Tradition in Russland. In den letzten Jahren wurde er neu definiert, mit einer geopolitischen Theorie als Grundlage. Nach dieser Theorie ist der Informationskrieg ein Mittel, durch das der Staat seine Zielen in der internationalen, regionalen und nationalen Politik erreichen und geopolitischen Vorteil erlangen kann. Diese Geopolitik hat Russland außerdem die ideologischen Argumenten in seiner Strategie für die Rivalität mit dem Westen geliefert. Als der Ideologie des Liberalismus gegenüberstehende Ideologie fördert sie einen “neokonservativen post-liberalen Machtkampf für eine gerechte multipolare Welt, die Verteidigung der Tradition, der konservative Werte und wahre Freiheit.” Sie bietet eine Erklärung für die innere Krise in der Ukraine und die Gründe für die Annexion der Krim durch Russland im Zusammenhang mit der Rivalität zwischen der “eurasischen Zivilisation” und der “US-geführten atlantischen Zivilisation.”

Dieser Text ist ein Versuch, einen Überblick über die Theorie der Informationskriegsführung, die auf den Schriften der führenden Vertretern der russischen Geopolitik, Igor Panarin und Aleksandr Dugin gegründet ist, und ihre Anwendung während der Operation auf der Krim, zu rekonstruieren.

Hier der Link zur PDF-Datei der Gesamtstudie, 36 Seiten, englisch