Vorbemerkung der Übersetzer*innen: Nachdem wir vor ein paar Tagen eine kurze Warnung vor dem Militarismus, Nationalismus und Querfront-Charakter der ukrainischen Organisation Borot’ba veröffentlicht haben, die von zahlreichen Landesverbänden der Partei Die LINKE als Kronzeugin für den Ukraine-Krieg geladen wurde, möchten wir nun einen detaillierteren Text über die Entwicklung der Borot’ba nachreichen. Es handelt sich um die Übersetzung eines Artikels der anarchistischen und antiautoritären ukrainischen Webseite nihilist.liaus dem Russischen, Autoren sind Wasilij Schapkirman und Rachil’ Kronschtadtskaja, Erstveröffentlichung war am 19.06.2014. Für eine Kurzfassung verweisen wir erneut auf das Flugblatt des ukrainischen Anarchisten und Künstlers Aleksander Wolodarski und die Seite der Autonomen Arbeitergewerkschaft.
Epidemie der Kraft, ein junger Organismus Wir schreiten über Gräber Unser Ziel – der Kommunismus W. Arechowskij
Wir sind alle nur Stufen auf dem großen historischen Weg der Menschheit zu ihrer Befreiung. Jede Sekunde bin ich bereit, mich für die Revolution zu opfern. Und ich denke, das gibt mir das Recht, auch andere Menschen zu opfern. Zum Beispiel dich, zumal du eh ‘ne Arschgeige bist. Aus dem Film “Lars von Trier, Regisseur und Ungeheuer”
Screenshot eines militaristischen Posts von Borot’ba: “AUCH DU KANNST HELFEN”
Die Organisation “Borot’ba” wurde offiziell im Mai 2011 geboren. Aber einem der Autoren war es gegönnt, bei ihrer Zeugung anwesend zu sein, die im April 2010 stattfand. Die Kiewer Organisation der Marxisten (OM) feierte ihr Jubiläum. Damals sprach Sergej Kiritschuk bei seinem Auftritt viel davon, dass es Gebot der Stunde sei, eine linke Partei zu gründen. Der zukünftige Führer der Borot’ba besaß zu diesem Zeitpunkt noch keinen Bart im Stile eines Revolutionärs aus einem Staat der “Dritten Welt”, sondern ähnelte eher einem Kleinhändler, der er zu diesem Zeitpunkt auch war (er handelte mit Hühnern). Sergej und die ihm Gleichgesinnten in der OM fühlten sich durch den Erfolg der landesweiten Nationalistenorganisation “Swoboda” inspiriert, und sie wollten auf ähnliche Weise Parteigründung betreiben, um die Kommunistische Partei der Ukraine am linken Flügel zu bedrängen. Genau zu diesem Zeitpunkt fiel erstmals der Name “Borot’ba” [Ukrainisch für Kampf; der Übersetzer]. Continue reading →
Montag 2. Juni 2014 um 20.00 Uhr
In diesem Vortrag wollen zwei AktivistInnen, die sozialen und politischen Hintergrunde des Aufstandes in der Ukraine beschreiben, und die populäre Mythen und Verschwörungstheorien aufdecken. Besonders werden sie Perspektiven der linksradikalen und libertären Bewegung in der modernen Ukraine erörtern.
Alexander Wolodarskij: Anarchist und Publizist, Mitglied der Autonomen Union der Arbeiter. avtonomia.net Nina Khodoriwska: Linke studentische Aktivistin, aktive Teilnehmerin der Besetzung des Bildungsministeriums.
Ursprünglich gepostet von der
Autonomen Union der Arbeiter
auf Indymedia
Kommentare – D. Mrachnik Übersetzung – Philomena
Der Kern des gesamten Projekts der Volksrepublik Donezk ist im Grunde in einem Absatz der Präambel ihrer Verfassung zu finden: „die Bildung eines souveränen unabhängigen Staates, der sich am Wiederaufbau des geeinten kultur-zivilisierten Raumes der Russischen Welt orientiert, auf der Grundlage seiner traditionellen religiösen, sozialen, kulturellen und moralischen Werte, mit Perspektive auf den Beitritt zu Großrussland als Aureole des Territoriums der Russischen Welt.“
Der Grundpfeiler des neuen Staates heißt im Klartext russischer Nationalismus. Die Wortverbindung „Russische Welt“ zum Beispiel trifft man in der Verfassung unzählige Male. Beispielsweise in deklarativem Sinn:
„…sich als integraler Bestandteil der Russischen Welt fühlend, als russische Zivilisation…“
„…die Unteilbarkeit des Schicksals der ganzen Russischen Welt denkend, und weiterhin ihr Teil bestehenbleiben wollend…“
„den Idealen und Werten der Russischen Welt treu bleibend und die Erinnerung der Vorfahren ehrend…“
Auch findet die „Russische Welt“ in praktischem Sinn Erwähnung, als Wegweiser für die Arbeit der staatlichen Organe:
„Artikel 6.5 Die Organe der staatlichen Macht der Volksrepublik Donezk berücksichtigen und respektieren bei der Realisierung ihrer Vollmacht und bei der Ausführung ihrer Pflichten die traditionellen religiösen, sozialen, kulturellen und moralischen Werte der Russischen Welt.“
Offensichtlich läuft der ganze Sinn dieser „Russischen Welt“ auf die Angliederung an „Großrussland“ hinaus, das heißt an die Russländische Föderation. Und im Weiteren darauf, dass die Dominanz dieser „sozialen, kulturellen und moralischen Werte“ gefestigt wird. Wie etwa die Russisch-Orthodoxe Kirche (Moskauer Patriarchat), die in diesem Verfassungsprojekt auf den Status einer Staatsreligion erhoben wird:
„Die historische Erfahrung und Rolle der Angehörigen der Russisch-Orthodoxen Kirche (Moskauer Patriarchat) werden anerkannt und respektiert, unter anderem als systembildende Säulen der Russischen Welt.“
„…den orthodoxen Glauben (Christlich-Orthodoxen Katholischen Glauben mit östlichem Bekenntnis) der Russischen Orthodoxen Kirche (Moskauer Patriarchat) ausführend und ihn als Grundstein der Russischen Welt anerkennend…“
„Artikel 9.2 In der Volksrepublik Donezk bildet den primären und vorherrschenden Glauben das orthodoxe Glaubensbekenntnis (der Christlich-Orthodoxe Katholische Glaube mit östlichem Bekenntnis) der sich zur Russisch-Orthodoxen Kirche (Moskauer Patriarchat) bekennt.“
„Artikel 4.2 Die Sozialpolitik der Volksrepublik Donezk ist gerichtet auf den Aufbau von Bedingungen, die ein würdevolles Leben und eine freie Entwicklung des Menschen garantieren, sowie nationalen Wohlstand und Zugänglichkeit von materiellen und geistigen Grundgütern, auf Basis des Verständnisses traditioneller, religiöser, sozialer, kultureller und moralischer Werte.“
Abgesehen von dem besonders privilegierten Status der Russischen Orthodoxen Kirche (Moskauer Patriarchat), kann jede „unbequeme“ Religion als gesetzeswidrig angezeigt werden: Continue reading →
26.5.2014
Zu Gast bei Michael Hirz sind:
– Pavlo Klimkin (Botschafter der Ukraine in Berlin)
– Stefan Liebich (MdB Die Linke, Obmann im Auswärtigen Ausschuss)
Autor: Timothy Snyder (bekannter Osteuropa-Historiker und Publizist) Quelle: The New York Review of Books, 27. Mai 2014 – Übersetzung
Pierre Andrieu / AFP / Getty Images Eine Kundgebung für Frankreichs rechtsextreme Front National, Paris, Frankreich, 1. Mai 2014
Europa hat ein Problem, und die Ukraine könnte die Lösung sein.
Bei den Wahlen in Europa am [vergangenen] Sonntag für das Europäische Parlament war die Wahlbeteiligung niedrig (43 Prozent) und die anti-europäische Rechte erreichte erhebliche Gewinne, vor allem in Frankreich, wo die ‘Front National’ 25 Prozent der Stimmen erhielt. Bei den Wahlen, die am selben Tag für die ukrainische Präsidentschaft stattfanden, lag die Wahlbeteiligung hoch (61 Prozent), der siegreiche Kandidat wurde von einer Pro-EU-Plattform getragen, und die rechtsextremen Kandidaten (2 Prozent) wurden von allen geschlagen, darunter auch von einem jüdischen Kandidaten. Wenn die Europäer denselben Weg wie die Ukrainer gewählt hätten, könnte Europa auf eine weitaus sicherere und wohlhabendere Zukunft blicken.
Ein Grund für dieses Debakel ist die alternative Realität, in der viele Europäer im Jahr 2014 leben. Auf der europäischen Linken, insbesondere der deutschen Linken (insbesondere die Partei “Die Linke”), gehört die Kritik am angeblichen Faschismus der post-revolutionären Regierung in der Ukraine zum guten Ton. Keine noch so große Menge von Informationen und Argumentation war in der Lage, diese fixe Idee zu verändern. Es kann nur gehofft werden, dass diese Wahlergebnisse einige Augen öffnen – denn sie haben dem Europäischen Parlament eine griechische Partei, die offen neonazistisch, sowie eine ungarische Partei, die eindeutig antisemitisch ist, beschert. Die Europäische Linke hat ein echtes Problem, und es sind nicht die ukrainischen Rechtsextremen. Es sind die europäischen Rechtsextremen, die derzeit populär zu sein scheinen und von den russischen Rechtsextremen unterstützt werden, die in Moskau derzeit an der Macht sind.
Inzwischen besteht das Märchen im Angebot der europäischen Rechtsaußenparteien in diesem Jahr aus dem Nationalstaat. Wenn nur Schottland oder England oder Frankreich oder Österreich oder Griechenland oder Bulgarien endlich frei von den aufdringlich europäischen Bürokraten wären, dann wäre das Leben wieder normal, und alles werde wieder gut werden. Alles würde aber nicht gut werden. Es ist ganz natürlich, dass man sich über ferne Bürokraten, die die lokalen Gegebenheiten nicht verstehen, beschwert. Aber es ist eine ganz andere Sache, die normalen Frustrationen eines großen Gemeinwesens mit einem politischen Programm zu verwechseln. Der Nationalstaat ist eine Utopie. Es gibt keinen Weg zurück zu ihm. Europäer, die glauben, dass Desintegration eine gute Idee sei, sollten die Geschichte der 1920er und 1930er Jahre zu Rate ziehen. Oder die Ukrainer fragen, die mit einer russischen Annexion der Krim und von Russland unterstützten Aggression in ihrer südöstlichen Provinzen konfrontiert sind.
von Ari Paul und Michael Brooks, 22. Mai 2014 Souciant.com; Übersetzung aus dem Englischen
Pro-Putin-Demo. Brüssel, Mai 2014.
Angenommen, Sie haben ein paar neue Fakten über Star Wars erfahren; Fakten, die das bekannte Narrativ (demzufolge die Rebellen-Allianz die imperiale Aggression durch die Zerstörung des Todessterns besiegt hat) erschüttern. Und zwar haben die Rebellen in der Anfangszeit ihrer Bewegung Geld vom National Endowment for Democracy erhalten, da amerikanische Beamte dies als eine Möglichkeit sahen, das Schifffahrts-Monopol des Galaktischen Imperiums zu brechen.
Abgehörte diplomatische Kommuniqués zeigen, dass sich die Vereinigten Staaten später gewünscht haben, dass die Rebellen über die Imperiale Marine siegen, um die Planetensysteme in den globalen Weltmarkt aufnehmen zu können. Vielleicht würde jetzt die Linke beginnen, die Rebellen mit mehr Misstrauen zu betrachten. Einige würden sogar damit anfangen, die Zerstörung von Alderaan zu verteidigen, jetzt, da wir wissen, dass dieser Ort eine Anlaufstelle für die amerikanische Intervention war. Darth Vader, jetzt nicht mehr der “Bösewicht”, tritt nun pragmatisch gegenüber der westliche Aggression auf.
Dieses Gedankenexperiment erlaubt es uns den moralischen Zusammenbruch auf der Linken besser zu verstehen, wenn es um das Verständnis globaler Machtkämpfe, und der Menschenrechte geht, seitdem es sich der russische Präsident Wladimir Putin zur Aufgabe gemacht hat, die Ukraine zu kontrollieren. Dieser Zusammenbruch führt zu einer binären Sichtweise, der zufolge eine Alternative zu Washington oder Brüssel immer vorzuziehen ist. Eine Sicht, die zum einen intellektuell faul ist, und zum anderen unterstellt, dass jeder, der nicht einverstanden, einfach nicht die Wahrheit hinter den “Schlagzeilen” erkennt.
Wie sonst soll man einige Positionen der Anti-Imperialisten verstehen, in einer Zeit, in der die autokratischen Führer eines Ölstaats, der seine eigene Version einer Monroe-Doktrin kennt, Militarismus und Schuldenabschöpfung kombinieren, um die Angelegenheiten eines anderen Staates zu steuern, von dem sie sich ungestörten Zugang zu dessen Energieressourcen erhoffen?
Oder, noch problematischer, wie sollen wir diejenigen verstehen, welche die Regierung in Kiew als “Neo-nazistisch” verleumden, weil eine kleine Zahl von Ministern zu rechten Parteien gehört, aber sich nicht für die extremen Rechten Parteien in Europa interessieren, einschließlich der antisemitischen Jobbik in Ungarn und der griechischen Morgenröte, welche Moskau als Gegengewicht zur Europäischen Union unterstützten? Was denn sonst könnte einen Revolutionär ermutigen, die neue Ordnung in der Ukraine anzuprangern, weil sie sich aus Straßenprotesten ergab, statt aus institutionellen Kanälen etablierter Staatsmacht? Was ist denn schon so radikal an einer Regierung, die Homosexuelle schlecht behandelt und feministische Punks in Arbeitslager steckt?
Von Laurent Moeri für Antidote, übersetzt von K. H. W.
“Wenn der Kampf vorbei ist und die Märtyrer schlafen, erheben sich die Feiglinge aus den Gassen, um uns von ihrem Heldentum zu erzählen” – Graffiti in Homs, Syrien
Vorwort – Mission Impossible
Was folgt, ist ein Versuch des Unmöglichen: eine kritische Überprüfung der Situation in der Ukraine, der Beteiligung von Putins Russland und der Fähigkeit (oder Unfähigkeit) der internationalen Linken auf soziale Aufstände ohne bereits vorgeschriebene Botschaften zu antworten. Ich schreibe auf Grundlage einer einzigen Prämisse: dass nämlich die Opfer einer möglichen militärischen Eskalation in der Ukraine überwiegend ethnische Minderheiten sein werden: die muslimischen Krimtataren, marginalisierte Gruppen wie die Sinti und Roma, sowie die Arbeiterklasse; während die Bürokraten in Brüssel und der Zar und sein Clan in Moskau ihre jeweiligen Interessen weiterverfolgen werden. Um die Wahrscheinlichkeit dieser Vorhersage zu unterstreichen, werde ich einen Vergleich zwischen den Ereignissen in Tschetschenien und denen auf der Krim anstellen.
Ich werde versuchen, eine differenzierte Beurteilung von Ereignissen auf der Basis historischer und aktueller Tatsachen vorzunehmen – und keine ausgewogene Darstellung kann den Umfang der russischen Selbsttäuschung verleugnen. Man muss sich nicht besonders rückversichern, um zu sagen: Russland ist ein Polizeistaat,¹ mit keinen oder sehr wenigen bürgerlichen Freiheiten, weit entfernt von einer Demokratie, und noch weiter entfernt davon, eine antifaschistische Entität zu sein. Das größte Risiko besteht für die Marginalisierten – unsere natürlichen Verbündeten – und genau an ihrer Seite sind unsere Anstrengungen erforderlich. Ich werde versuchen zu zeigen, dass wir, wenn wir uns wegen ideologischer (Gleich)gültigkeiten nicht bei sozialen Protesten engagieren (oder uns dem Engagement verweigern) nicht nur unsere moralische Position verlieren, sondern auch die unzufriedenen Massen an die reaktionären Kräfte.
Bereits mit dem Aufkommen des Maidan-Aufstands war es offensichtlich, dass uns eine antifaschistische Konfrontation in der Ukraine und in Russland bevorsteht.² Russlands Aggression in der Ukraine hat die Angelegenheit kompliziert; ohne sie könnten wir unsere Anstrengungen auf die Beseitigung der Oligarchie und der neoliberalen Politik wie auch aller braunen Elemente in der Ukraine konzentrieren. Egal: Jetzt ist ein entscheidender Moment, um unsere Stimme gegen den Faschismus, Neoliberalismus und Imperialismus zu erheben.
Russische AktivistInnen am 1. Mai 2014 in Moskau. Die AktivistInnen wurden festgenommen und zu Geldstrafen und 10 Tagen Haft verurteilt.
Ich bin nicht daran interessiert, die vorformulierten Botschaften, die wir schon zu gut kennen, zu wiederholen; dieser Artikel wurde mit dem Verständnis geschrieben, dass Sie als Leser*in – genau wie ich – es verdient haben, als ein reifer, unabhängiger Geist behandelt zu werden, der fähig ist, kritisch zu hinterfragen… und nicht als Propaganda-schluckender Zombie.
Eine Sache ist klar: Es gibt keinen Weihnachtsmann, und es gibt keine Engel in der Politik… nur eigennützige Arschlöcher. Irgendwann jedoch, und ich bin davon überzeugt, werden die Tatsachen lauter sprechen als jede Propagandamaschine.
I. Ein Taschenatlas der post-sowjetischen Staaten
“Ich möchte noch einmal an Russlands jüngste Geschichte erinnern: Wir sollten uns klar werden, dass es sich beim Zusammenbruch der UdSSR um die größte geopolitische Katastrophe des Jahrhunderts handelt. Zig Millionen unserer Mitbürger und Landsleute lebten auf einmal außerhalb der Grenzen Russlands und mussten sich eine neue Heimat suchen. Darüber hinaus hat die Epidemie des Zerfall Russland selbst infiziert.” – Wladimir Putin
Ein Blick auf die Karte zeigt die Vielfalt und die Zerbrechlichkeit dieser “Union”
Russland und die Sowjetunion waren schon immer ein Flickenteppich ethnischer und nationaler Gruppen. Im Laufe der modernen Geschichte befürchtete jeder russische Staatschef den Zerfall und die Unabhängigkeitsbewegungen im “Mutterland.” Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion sahen viele, wie sich diese Befürchtungen in Realität verwandelten. Russland verlor wesentliche Teile seiner ehemaligen Gebiete und mit ihm viel von seinem Nationalstolz.
Diese Demütigung wurde in den frühen Tagen des Zusammenbruchs durch die heftige Deregulierung und Liberalisierung verschärft; der Internationale Währungsfonds forderte einen massiven Ausverkauf des Nationalvermögens (und half dabei). Ausländische Investoren konnten für einen Bruchteil des Wertes alles kaufen. Das ehemalige Sowjetreich wurde gedemütigt, während der Westen und seine Marktideologen ihre Botschaft an den Mann brachten: die liberale Demokratie und der Kapitalismus seien der einzige Weg³.
Ich möchte Sie fragen: Ist es ein Zufall, dass Russland nach der Demütigung und dem Ausverkauf der Sowjetunion – einem in den Augen vieler Russen von einem inkompetenten und beschämenden Präsidenten⁴ geführten Zeitraum – einmal mehr den Ruf nach Einsetzung eines “starken Mannes” erlebt? Ich bezweifle es. Dies scheint den imperialistischen Charakter des russischen Nationalismus wiederzuspiegeln und bietet Platz für Putins eigene politische Bestrebungen, eine verlorene “Herrlichkeit” der Vergangenheit wieder einzufangen – und das schließt die Wiedererlangung der Kontrolle über verlorene Gebiete ein.