Arkadij Babtschenko: Krieg durch Hetze

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Die folgende Übersetzung ist ursprünglich erschienen im Blog von Boris Reitschuster

Autor: Arkadij Babtschenko, bekannter russischer Journalist und einer der Mitbegründer der neuen Journalisten-Gewerkschaft gegen Propaganda

„Wenn Russland in die Ukraine nicht solche Flüsse von Lüge und Hass liefern würde, hätte dort im Osten nie ein Krieg begonnen. Kämpfer und Waffen – die sind natürlich ein sehr wichtiger Import-Posten – aber trotzdem – sie sind nur zweitrangig.
Das Wichtigste ist die Goebbels´sche Propaganda.

(Der Separatisten-Führer) Strelkow mit seinen Dämonen konnten nur auftauchen und die Verwaltungsgebäude besetzen, weil das Fernsehen die Leute mit dem „Rechten Sektor“ aufgehetzt hatte – der, so hieß es, werde jetzt nach dem Majdan mit Sicherheit kommen und alle Russen aufschlitzen. Ohne das wären die „grünen Männer“ (wie die Separatisten genannt werden) nicht möglich.

Ohne dieses Aufhetzen – hätten die Menschen in Donezk etwas unternommen? Hätten sie selbst Sabotage-Gruppen gegründet, mit Maschinenpistolen in der Hand Verwaltungsgebäude besetzt, Polizei- und Militärgebäude zerstört, dort Waffen erobert und mit denen in der Hand Grenzposten und Flughäfen gestürmt?

Die Antwort ist m.E. offensichtlich: Nein.

Flughäfen und Grenzposten passen auch gar nicht in diese Logik – die Logik der Verteidigung vom „Rechten Sektor“. Das ist völlig übertrieben. Das ist absolut offensichtlich.

Ja, Unmut und Angst vor dem Westen gab es im Osten wirklich. Und sogar recht massiv. Aber mit Flaggen „Russland, Russland“ zu schreiben – das ist das eine. Granatwerfer in die Hand zu nehmen, Panzerwagen anzuzünden und selbst zu sterben – das etwas ganz anderes.

Diesen Krieg hat nur und ausschließlich die Goebbels´sche Propaganda entfacht. Nichts anderes.

Weiterlesen auf der Seite von Boris Reitschuster (noch 200 Worte)

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RFE/RL: In der Ostukraine ist Folter eine neue Waffe

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(Englisches Video) Der ukrainische Bergmann Oleksandr Hurow beschreibt seine Behandlung in den Händen der Rebellen- Entführer: “Er brachte eine Glühbirne, zersplitterte das Glas mit einem Messer und begann mein Tattoo abzukratzen.”

Claire Bigg, RFE/RL, 21. Mai 2014
Übersetzung aus dem Englischen

In dem Moment, als er eine separatistische Fahne vom Hauptregierungsgebäude in seiner ostukrainischen Heimatstadt Novohradovka herunterriss, wusste Oleksandr Hurow, dass ihm Ärger bevorstand.

Die Vergeltung war schnell und rücksichtslos.

Zwei Wochen später liegt der 36-jährige Bergarbeiter mit einem gebrochenen Kiefer, einem Nasenbeinbruch, Risswunden am Arm und gebrochenen Rippen in einem Krankenhaus in Kyiw.

“Sie schlugen mich nonstop”, sagte er RFE/RL. “Ich lag auf dem Boden; … Sie haben mich getreten und mit einer Pistole auf den Kopf geschlagen. Einer von ihnen hielt meinen Arm ausgestreckt, während ein anderer darauf sprang. Von Zeit zu Zeit wurde ich ohnmächtig, das war gut so, weil ich dann den Schmerz nicht mehr ertragen musste.”

Hurow sagt, seine Angreifer nannten ihn “Verräter”, und versuchten, ihm die nationalistische Tätowierung (mit den Worten “Ehre der Ukraine, Ruhm den Helden”) am Oberam abzukratzen – mit den gezackten Rändern einer zertrümmerten Glühbirne.

Hurows grausige Geschichte ist eine, die einem im Osten der Ukraine zunehmend vertraut vorkommt, dort wo den pro-russischen Separatisten eine Vielzahl von Entführungen und Folter vorgeworfen wird, mit der sie versuchen, ihre Herrschaft über die Region zu festigen.

Sie haben die Geiselnahmen einfach so zugegeben, denen örtliche Beamte zum Opfer fielen, aber auch pro-ukrainische Aktivisten, Journalisten, Mitglieder ausländischer Beobachtungsmissionen, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und ganz allgemein alle, die für Kritiker an den im letzten Monat gebildeten selbsternannten “Volksrepubliken” in den Regionen Donezk und Luhansk gehalten werden.

Und mit der immer besser werdenden Organisation der separatistischen Bewegung scheinen die Entführungen immer systematischer und methodischer zu werden.

“Ich würde das nicht Einzelfälle nennen, wir können auf jeden Fall ein Muster erkennen,” sagt Anna Neistat von Human Rights Watch (HRW), die vor kurzem in die Region Donezk reiste, um die Entführungen zu untersuchen. “An jedem einzelnen Tag erhielt ich Berichte über eine weitere Person, die entweder entführt oder nach Schlägen und Folter in der Gefangenschaft wieder freigesetzt worden war,” sagt sie.

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Ukraine: Ein gefährliches Spiel (Al-Dschasira)

aljazeera-logo-a_p15. Mai 2014 – “Menschen und Macht” (People & Power)
Al-Dschasira (Al Jazeera)

Übersetzung des Berichts; Englisches Video

Kurz vor den entscheidenden Wahlen: Ist die Ukraine wirklich so geteilt, wie den Menschen weisgemacht wird?

Seit Monaten verstärkt sich die ukrainische Krise, auf der einen Seite die von Moskau unterstützten Separatisten als Reaktion auf die russischen Expansionsbestrebungen und Rhetorik, und andererseits ukrainische Nationalisten, die den Westen um Unterstützung bitten.

Aber ist die zugrunde liegende Kluft so klar, wie sie dargestellt wird? Welche Grundlage gibt es für die Annahme, dass es zu einem Bürgerkrieg und der Teilung des Landes kommen muss – wie einige es zu fürchten scheinen?

Der Journalist und Filmemacher Michael Andersen ist schon lange in der Ukraine tätig. Kurz vor den für Ende dieses Monats anberaumten .landesweiten Wahlen hat “Menschen und Macht” ihn entsandt um herauszufinden, ob es stimmt, dass das Land diesen so gefährlichen Weg nach unten eingeschlagen hat. Continue reading

“Das ist kein Lösegeld, sondern dein Beitrag zu unserem Krieg!“

Ursprünglich erschienen auf Voices of Ukraine

Die Geschichte der Entführung des russischen Journalisten Pavel Kanygin von der „Nowaja gaseta“, wie er sie selbst nach seiner Freilassung ohne viel Emotionen und Bewertungen festgehalten hat. 

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Man nahm mich gemeinsam mit meinem Kollegen Stefan Scholl von der „Südwest-Presse“ am Abend in einer Pizzeria fest. Wir aßen dort zu Abend und schrieben an unseren Berichten zum geplanten Referendum. Vier Männer setzten sich zu uns und einer von ihnen erklärte, dass sie zu den Veröffentlichungen von Stefan keine weiteren Fragen hätten, aber ich müsse meine Ansichten klarstellen.

– „Wir haben deine Artikel gelesen. Was soll das heißen: „Diese Wahlzettel sehen aus, als seien sie einfach auf einem Drucker gedruckt?““, fragte er.
– „Und dieser Satz hier, „es sind kaum junge Leute da“, das ist doch gelogen!“, warf ein anderer ein. „Alle haben abgestimmt!“
– „Aber ich habe da wenig junge Leute gesehen“, erwiderte ich.
– „Das heißt, du hast da nicht richtig hingeschaut“, gaben sie mir zu verstehen. „Wozu hast du das gemacht?“
– „Nee, das hat er hier aber richtig geschrieben, dieser Arsch von Bürgermeister hat uns mit den Räumen echt im Stich gelassen, wir mussten dann selbst alles organisieren.“
– „Na, das stimmt. Aber schau mal Bruder, du musst einfach kapieren, dass die ganze Presse da draußen unsere Waffe ist. Wenn ihr nicht da wärt, was wären wir dann schon? Aber du schreibst einfach undeutlich, Bruder, das muss einfacher sein, damit alle verstehen, dass uns hier die „Bandera-Leute“ (für Russen so viel wie: Faschisten, d.Ü.) im Nacken sitzen, und dass wir keine Terroristen sondern ganz normale Leute sind, dass wir kurz gesagt auf der Seite der Wahrheit stehen.“
– „Anscheinend schreibst du ja alles wie es ist, aber warum bloß hast du diese Informationen über die jungen Leute geschrieben?“
– „Na gut, wir wollten halt einfach mal reden, und jetzt fahrt ihr mit uns zum Zentralplatz mit.“

Auf dem Zentralplatz von Artyomovsk ging es laut zu. Ein Aktivist fand in der ukrainischen Internetzeitung http://www.lb.ua einen Abdruck meiner Reportage über den verschwundenen Bürgermeister der Stadt und die Ukrainischen Kollegen hatten den Titel „Separatisten entführen Bürgermeister“ drüber gesetzt. „Das schreibt er doch für die Banderovtzi (für Russen: Faschisten, d.Ü.)! Sind wir hier für dich etwa Separatisten, du Hund? Du bist ein beschissener Agent!“

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